RESONANZ

Am 1. Juli 1940 wurde bei Tacoma im US-Bundesstaat Washington eine neue Hängebrücke über dem Puget Sound eröffnet, die nur wenige Monate später traurige Berühmtheit erlangen sollte

Nach ihrer Fertigstellung war die Tacoma Narrows Bridge mit einer Spannweite von 853 Metern immerhin die drittgrößte Hängebrücke der Welt. Nur die Golden Gate Bridge und die George Washington Bridge waren zu diesem Zeitpunkt länger. Wegen ihrer Schlankheit wirkte die Tacoma Narrows Bridge besonders elegant und man hielt sie allgemein für architektonisch gelungen. Doch nur vier Monate nach ihrer Verkehrsfreigabe sollte ihr gerade diese Schlankheit zum Verhängnis werden.

Erste Probleme

Bereits kurz nach Eröffnung der Brücke zeigte sich, dass die Konstruktion sehr empfindlich auf Seitenwind reagierte. Dies ist zunächst nichts ungewöhnliches für Hängebrücken, die systembedingt immer unter dieser Schwäche leiden. Die Tacoma Narrows Bridge aber geriet durch ihr geringes Eigengewicht und ihre Schlankheit ganz besonders leicht ins Schlingern.

Das Tragwerk kommt in Bewegung

Dabei bewegte sie sich nicht nur in seitlicher Richtung, sondern vollführte auch mehr oder weniger starke, wellenartige Bewegungen ihres Decks in Längsrichtung. Im Volksmund hieß sie daher bald die "galoppierende Gertie" und viele Autofahrer mieden die Brücke, obwohl sie dafür kilometerlange Umwege in Kauf nehmen mussten. Es gab aber auch abenteuerlustige Menschen, die am Wochenende ganz gezielt nach Tacoma kamen, um auf der Brücke "Achterbahn" zu fahren. Leon Moisseiff waren die Probleme natürlich nicht entgangen und er versuchte das Tragwerk durch zusätzliche Verstrebungen zu stabilisieren. Allerdings ohne den gewünschten Erfolg.

Von da an stand die Brücke unter Beobachtung. In den Zeitungen wurde laufend über sie berichtet und sogar ein Kamerateam war ständig vor Ort, um die extremen Bewegungen der Fahrbahn im Bild festzuhalten.


Der Einsturz

Am 7. November 1940 kam ein mäßiger Wind mit einer Geschwindigkeit von 68 km/h über dem Puget Sound auf, der die Brücke erneut in leichte Schwingungen versetzte. Anders als sonst wurden diese jedoch immer größer und führten zu immer heftigeren Verwindungen des Fahrdecks. Gegen 11 Uhr Mittags wollten Joe Arlington und seine Frau die Brücke trotz der bedrohlichen Situation mit ihrem Wagen passieren und wurden dabei gegen das Geländer geschleudert. Sie verließen ihr Auto und rannten so schnell wie möglich auf das rettende Ufer zu. Sie hatten gerade festen Boden unter den Füßen erreicht, als einige Stahlseile rissen, das Deck auseinanderbrach und der ganze Mittelteil der Brücke mit gewaltigen Lärm in den Puget Sound stürzte.

Diese ganze dramatische Szene wurde von dem anwesenden Kamerateam gefilmt. Zum Glück kamen bei diesem Brückeneinsturz keine Menschen zu Schaden.

 

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Wissenschaftliche Untersuchungen

Es stellte sich heraus, dass der Wind eine gleichförmige Kraft auf die Brücke ausgeübt hatte, die im Zusammenspiel mit dem elastischen Material und der besonderen Form des Bauwerks genau die Eigenfrequenz (natural frequency) der Brücke getroffen hatte. Durch diese eigentlich geringe Krafteinwirkung wurde aus einer anfänglich kleinen Störung eine immer größer werdende Resonanzschwingung, bis das ganze Tragwerk schließlich einstürzte.

Das Phänomen der Eigenfrequenz ist auch der Grund dafür, dass eine Kolonne Soldaten nicht im Gleichschritt über eine Brücke marschieren darf. Ein ähnlicher Effekt ist beim Flattern einer Flugzeugtragfläche zu beobachten, bei dem der Wind ebenfalls gleichförmig angeströmt wird. Eine solche selbsterregte Schwingung folgt den so genannten "von Kármánschen Wirbelstraßen", die nach ihrem Entdecker Theodore von Kármán benannt wurden. In der Theorie waren die Forschungen von Kármáns bereits seit ihrer ersten Veröffentlichung im Jahre 1912 bekannt aber in die praktische Wirklichkeit von Bauingenieuren traten sie erst durch den Einsturz der Tacoma Narrows Bridge.